20. August 1943
Die Gefechtstätigkeit war eigentlich gering. Schon am nächsten Morgen überflog uns eine [Iljuschin] IL 2 in etwa 20 m Höhe. Unsere 2 cm konnten zwar Treffer anbringen, die aber infolge des spitzen Auftreffwinkels abprallten. Sonst kamen tagsüber nur ab und zu einmal Jäger in unseren Schußbereich. Nachts aber lernten wir hier den „leisen Willy“ richtig kennen. In einer mondhellen Nacht flogen diese Doppeldecker ein und wieder zurück. Sehr viele wurden jedoch von den leuchtenden Fangarmen der leichten Scheinwerfer erfaßt und damit einem konzentrischen Flakfeuer ausgesetzt.
Wir faßten auch viele Maschinen im Dunkeln auf. Die russischen Piloten versuchten mit ihren Kisten die tollsten Abwehrmanöver. Einer ging z.B. im Sturzflug kerzengerade herunter. Wir dachten „Abschuß“, aber kurz darauf flog er über uns hinweg. Ein anderer wurde von uns beschossen bis 50 m über dem Boden: Dann mußten wir das Schießen einstellen, weil wir sonst mehr Schaden auf der Erde wie in der Luft angerichtet hätten. Eine [Polikarpow] U-2 flog uns an. Plötzlich rauschte es in der Luft, dann knapp neben unserem B I-Stand ein Puffen und eine große schmale Erdfontäne stieg hoch. Der wollte doch wahrhaftig unseren B I Stand treffen. Er hatte wahrscheinlich unsere elektrische Beleuchtung gesehen. Kurz und gut, in dieser Nacht wurden auch einige „leise Willy’s“ abgeschossen und am nächsten Tage brachte Oblt. Reinecking ein Stück graues Sperrholz, das von einem abgeschossenen Flieger stammte mit heim. Auch die deutsche Luftwaffe sahen wir hier sehr aktiv. So konnte ich beobachten, wie ein Verband [Heinkel] He 111 eine Bombenreihe legte, die es in sich hatte, wie wir an den hochsteigenden Erd- und Qualmsäulen feststellen konnten.
Eine Neuigkeit für die jungen wie für die alten Soldaten waren unsere Nebelwerfer. Deutlich sahen wir die schräg aufsteigenden Rauchfahnen dieser fürchterlichen Geschosse und kurz darauf die gewaltige Detonation des Einschlages, die wir sogar vernehmen konnten. Eines Tages da pfiff es in der Luft und kurz darauf ein blechener Knall. Aha, der Russe schoß in unsere Nähe. Ich gewöhnte mich recht bald an diese neuen Geräusche und lernte bald Abschuß und Einschlag zu unterscheiden. Aber auch in dieser Stellung waren die Tage gezählt. Der Befehl zum Stellungswechsel wurde gegeben, wurde wieder aufgehoben um dann endgültig gegeben zu werden.
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15. August 1943
Am Sonntag, 14.8. (Flakreisetag) packten wir wieder zusammen. Vormittags war das Wetter schön. Es ging nach Jnotchkino zurück und dann rechts ab auf die Straße nach Jelnja. Da fing es an zu regnen. Im Nu waren die staubigen Straßen mit zähem Schlamm überzogen, sodaß die Fahrer höllisch aufpassen mußten, um nicht abzurutschen oder steckenzubleiben. Auf dieser Fahrt nach Jelnja lernte ich nun einmal Rußland kennen. Die Straßen waren eine einzige Schlamm- und Pfützenfläche, die Häuser ärmlich gebaut und mit allem Möglichen geflickt und ausgebessert, die Bevölkerung liederlich gekleidet. Die Felder waren ungepflegt, bis man schließlich nur noch eine Grassteppe sah. Die Stadt Jelnja selbst war fast ausgestorben. Wir fuhren dann auf der Straße nach Spass-Demensk etwa noch 15 km und gingen dann etwas abseits nahe dem Dorfe Medweshja mitten in einem Buschgelände in Stellung.
Da die Front von hier nur 12 km entfernt war, mußte alles getarnt werden. Die Geschützrohre waren so mit Zweigen umwickelt, daß man sie für einen Baum halten konnte. Das Bauen der Zelte war kein Genuß, denn in dem vom Regen naßen Grase schien es kein gutes Lager zu geben. Aber nachdem genug Stroh herangeschafft worden war, konnten wir unsere Zelte ganz gut einrichten.
Unser erstes Mittagessen in dieser Stellung brachte endlich wieder Salzkartoffeln und Goulasch. Schon während der letzten Zeit in Sechtschinskaja waren unsere Kartoffeln zu Ende gegangen und so gab es ungefähr 14 Tage lang nur Nudeln, Makkaroni, Reis und Graupen in allen möglichen Zubereitungen. Jetzt hatte man wieder Kartoffeln auftreiben können und da gab es auch gleich wieder ein Kochgeschirr voll. In diesen Tagen hat auch unser junger, kochgewandter Werner Lotz aus 8 l Milch einen Pudding für uns zurecht gemacht, der sich wirklich sehen lassen konnte. Unser Meßtruppführer war in dieser Zeit Uffz. Bodenschatz. Ufw. Theißen war auf Urlaub. Mit Bodenschatz kam ich vorerst nicht so gut aus. Sei es weil er uns junge Gefreite gern etwas hintenanstellte oder sei es wegen seines Wesens und Verhalten was mir gar nicht gefiel und nie zugesagt hat.
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14. August 1943
Am Freitag, 12.8., ein trüber, regnerischer Tag, fuhr die Batterie auf und geschlossen ging es auf der großen Straße nach Roslawl. Von dort ostwärts, etwa 38 km, nach Inotschkino an der großen Desnabrücke. In Stellung gingen wir östlich der Desna, bei dem Dorfe Kolodesi. Von hier sahen wir zum ersten Male durch das Glas starke [Iljuschin] IL 2-Angriffe über dem Frontgebiet. Die zwei Nächte, die wir hier lagen, waren sehr lebhaft. Die Russen griffen Roslawl an und flogen jedes mal über uns hinweg. Hier zeigte sich schon das Temperament Reinekings: wir mussten versuchen, die Maschinen im Dunkeln aufzufassen. Es ging auch ganz gut. Diese Stellung war eine Bereitschaftsstellung für uns. Wir sollten warten, bis unser endgültiger Einsatzraum bekanntgegeben wird.
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12. August 1943
Eines abends begann der Russe wieder mit stärkeren Nachtangriffen. Es begann so, daß sich ein Flugzeug in der ersten Dunkelheit unbemerkt heranpirschen konnte. Durch die Explosion von zwei Bomben war mit einem Male die gesamte Abwehr in Aktion. Diese Nacht ging noch sehr haarig zu. Bomben fielen in bedrohliche Nähe. Leutnant Kruchen mußte öfters den Befehl: „Köpfe weg!“ geben. In solch einer Nacht geschah es auch, daß von unseren vier schweren Geschützen ein einziges schoß. Alle anderen waren für kurze oder längere Zeit ausgefallen. Aber immerhin kamen wir auch auf über 1.200 Schuß pro Nacht. Aber der Erfolg: gleich Null. Oblt. Hendel sagte in einer kurzen Ansprache, daß diese Nacht unter einem unglücklichen Stern stand. Auf dem Rollfeld wurden einige Maschinen zerstört. Kein Feindflugzeug aber abgeschossen. Er sagte, daß der Russe nachts jetzt die schnellen „Douglas-Boston“ einsetzt, die schwer zu bekämpfen sein. Er sagte, wir sollen Sekundenmenschen sein, er sprach von Einsatzbereitschaft, Zähigkeit usw.
Aber auch diese schöne Erholungs- und Ruhezeit in dieser Stellung neigte sich dem Ende zu. Man munkelte von Stellungswechsel, Erdeinsatz usw. Unsere Fahrgestelle, Geräte und unsere Sachen wurden überprüft und ergänzt. Dazu kam noch, daß Hauptmann Siebeck nach Deutschland versetzt wurde. Als neuer Chef traf Oblt. Reinecking ein. Dieser schien sehr viel auf äußeres Erscheinen zu legen, denn er kam im Prunkanzug mit allen Orden, trug eine Schirmmütze. Hielt eine kurze und bündige Begrüßungsansprache. Dann war er unser Chef. Ihm sollte es vorbehalten sein unsere Batterie zu großen Erfolgen zu führen und unvergänglichen Ruhm zu erwerben.
So wurde der Stellungswechsel vorbereitet und als am 11. August die uns ablösende Batterie eintraf, gingen wir aus unseren Ständen und gingen auf einer Wiese daneben in Stellung. Nun konnte mal ein „Ivan“ kommen. Zwei Batterien nebeneinander, das hätte einen Feuerzauber gegeben. Die Nacht zum 12. schliefen wir zum letzten Mal in unserer Baracke. Zum letzten Male unter Wanzen. Das wurde ja in den letzten Tagen so toll, daß die Hälfte der Bedienung in unser Werkzeug“butze“ oder auf dem Dach des z.b.V. [„zur besonderen Verwendung“] Bunkers schlief.
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22. Juli 1943
Ich war zu dieser Zeit noch nicht in der B I Bedienung, sondern noch in der Umwertung. Wir machten ungefähr folgendes: Wenn ein Flugzeug kam, peilte es das FuMG [„Funkmessgerät“, heute Radar] an und wir stellten fest, wenn der augenblickliche Standort des Flugzeuges in der Luft auf die Erdoberfläche heruntergelotet wird, in welchem auf einer ausgebreiteten Karte eingezeichneten Quadrat es sich befand. Diese Quadrate wurden dann an die Nachtjägerleitstelle durchgegeben und die wies die Nachtjäger ein. Dann hatte die Umwertung noch den Zweck, den Zielweg des Flugzeuges aufzuzeichnen. Auch sollten wir damit andere Batterien aufs Ziel einweisen. Dies alles war für mich eine recht interessante Angelegenheit, zumal ich da während der Lufttätigkeit in der ZbV [„zur besonderen Verwendung“] Bude saß. Daß der ZbV Bunker ganz nahe am, beimit im B I Stand stand, hatte seinen guten Grund. B I und ZbV gehörten immer zusammen. Dort liefen alle Meldungen aus der Batterie zusammen und trafen Meldungen von außerhalb ein. Hier war während des Gefechts alles vertreten, was Rang und Namen hatte. Hier traf der Chef seine Entschlüsse und leitete der Maßoffizier das Schießen. Ich habe dort während meiner Anwesenheit in vielen Sachen Einblick bekommen und viele andere Situationen im Gefechtsstand mit angehört, von denen die Mehrzahl der Batterie-Angehörigen nicht wußten.
Ich war nun mit daran beteiligt, den Zielweg aufzuzeichnen. Wir konnten schön sehen, wie das Flugzeug fliegt. Es wurde eine unangenehme Sache, wenn sich der Seitenwinkel zum Feindflugzeug nicht veränderte. Da flog die Maschine genau auf uns zu. Dann waren wir stets im Ungewissen, was nun folgen würde. Krachte es laut, dann hätten wir gewußt, daß die Maschine Bomben geworfen hat, die eventuell unserer Batterie gelten sollten. Aber meistens war es so: Bei einem geraden An[flug] schossen wir doch unter erleichterten Bedingungen, weil ja der Seitenwinkelvorhalt wegfiel. Und bei den ersten Schüssen zog es „Ivan“ vor in einer eleganten Kurve abzuschwirren, schmiß seine Eier irgendwo hin und schlug östliche Richtung ein.
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