Batterie komplett

3. September 1943

Am 3. früh fand es unser Spieß für richtig, wieder Stellungswechsel zu machen. Es ging wieder nach Baltutino und dann weiter zurück. Bald schwenkte unsere kleine Kolonne rechts ab, wieder in den grünen Wald. Dort richteten wir uns wieder gemütlich ein. Wie schön haben wir es doch mit der B I in den letzten Tagen gehabt. Wir haben geruht und uns die Zeit mit allem möglichen Kram vertrieben, während unsere Geschützbedienungen manche Aufregung und schlaflose Nächte erlebten.

Plötzlich am Nachmittage kamen 2 Mann von unserer Batterie zu uns. Ein Kraftfahrer und ein Kradmelder. Verdreckt und verspeckt sahen sie aus. Fahrzeuge hatten sie natürlich keine mehr. Die lagen irgendwo im Straßengraben. Sie berichteten ganz nette Sachen. Die beiden Kerle hatten allerhand durchzukämpfen, bis sie endlich die Protzenstellung gefunden hatten. Über das Schicksal der Batterie vermochten auch sie weiter nichts zu sagen.

Zur Abwechslung schickten wir von unserer Bedienung einige Leute fort, die sich mal die umliegenden Dörfer ansehen wollten, ob es da etwas zu organisieren gäbe. Als sie zu lange ausblieben, sollte ich auf die Suche gehen, und sie heimholen. Ich gehe los. Den ersten Hügel hinauf. Nichts zu sehen. Die zweite Anhöhe hinauf. Da sah ich in weiter Ferne einige Dörfer liegen. Die waren mir aber zu weit um hinzugehen. Also kehrte ich unverrichteter Dinge wieder um. Und das war gut so, denn als ich zur Bedienung zurückkam, machte man eben alles zur Abfahrt fertig. Ich fragte ob die Russen kommen, oder was sonst eigentlich los sei. Da antwortete man mir: „Die Batterie ist da!“

In der Tat war auf der nahevorbeiführenden Straße unsere Gefechtsbatterie aufgefahren. Wir dachten nun es gänge etwas zurück. Aber weit gefehlt. Als alle Troßfahrzeuge marschbereit waren fuhren wir mit der Battrie geschlossen weiter nach vorn. Unterwegs kam auch noch ein [Petljakow] PE-2 Verband angeflogen und warf die Bomben in eine weitab liegende Ortschaft. 8,8 Flak schoß dabei einige Maschinen ab. Unser Chef sagte uns einige Stunden später, daß die eine abgeschossene Maschine von einer Frau gesteuert wurde und daß sie nach ihrer Gefangennahme gefragt hätte, wenn sie erschossen würde! An diesem Beispiel sieht man, daß auch die Russen ihren Leuten die Hetze eingetrichtert haben: Die Deutschen erschießen sofort alle Gefangenen. Und warum hatte Rußland Frauen als Flugzeugführer eingesetzt. Hatte dieses reiche Land schon zu jener Zeit Mangel an gut ausgebildeten Soldaten?

Nach einer Fahrt durch tiefe Schluchten und über steile, gefährliche Straßen gelangten wir nach Glinka, ein kleiner Ort an der Bahnlinie Jelnja-Smolensk, 70 km von Smolensk entfernt. Da dieser Ort erst nachmittags von dem PE 2 Verband angegriffen wurde, war der Ort total ausgestorben. Unser Chef fand kein geeignetes Nachtquartier und so kehrten wir um, bis wir bei eintretender Nacht in einer Kuhle unsere Zelte aufstellten. Die Front war nicht mehr ferne, das sahen wir an den zahlreichen Leuchtkugeln und auch das Gekreische der Nebelwerferabschüsse und das dumpfe Dröhnen der Einschläge ließ uns die Front ziemlich nahe wissen. Über den Erdeinsatz unserer Gefechtsbattrie werde ich später berichten.

Unterstützungstransport

2. September 1943

Mir ist es nun im Laufe der Zeit entfallen, wie die Nachricht zu uns gelangte. Ich glaube, unser Spieß hatte einen Pkw. mit einigen Uffz. losgeschickt, um zu sehen, ob man die Verbindung zur Batterie herstellen kann. Jedenfalls dieser Pkw war bald wieder da und es sprach sich schnell herum: Unsere Batterie hat sich, dank der Taktik Reinekings, der Schlinge entziehen können, hat aber noch Kämpfe zu bestehen. Ich kann mich jedoch nicht mehr entsinnen, ob die Batterie die schweren Kämpfe bei Suchoj-Petschinok schon bestanden hat, oder ob sie erst am Tage darauf waren.

Die nach vorn gefahrenen 4 Mann brachten auch eine Anzahl Wünsche und Befehle für den Hauptwachtmeister mit. So wurde sofort ein großer Lkw. beladen mit Munition, Verpflegung, fehlenden Ausrüstungsgegenständen, Zigaretten, einigen Kisten Schnaps, mit Post und nicht zuletzt einem großen Stoße Wolldecken, die dringend gewünscht worden waren. Mit allen guten Wünschen begleitet fuhr der Wagen los. Ich glaube, der Wagen wäre infolge der sehr schlechten Wegeverhältnisse stecken geblieben, und hätte die Batterie erst auf deren Rückfahrt erreicht.

In unserer schönen Protzenstellung trat wieder die alte Ruhe ein. Unser Radio hatten wir, wie immer, auch diesmal aufgebaut und es erklang auch hier im Walde herrliche Musik. Die russischen Schlachtflieger braußten öfters über uns hinweg. Schwerfällig kamen sie angebrummt. Ließen sich aber nur einige deutsche Jäger blicken, so machten sich die [Iljuschin] IL 2 schnell von dannen, denn sonst würden die durcheinandergemöbelt und nicht selten hatten die deutschen Jäger Siege zu verbuchen.

Wurstige Beziehungen

31. August 1943

Am Morgen des nächsten Tages, 31.8., wollte unser Spieß Stellungswechsel machen, weil die Front im Laufe der Nacht auf den Panzergraben zurückgenommen werden sollte.  Dort sollte die neue [Hauptkampflinie] HKL entstehen. Nachts brannte Jelnja lichterloh und wir dachten immer nur: hoffentlich haun wir bald ab. Vielleicht ist der Iwan schneller hier, als wir denken. Und das scharfe Knallen von Panzerabschüssen kam auch recht nahe.

Gottseidank ging es beim ersten Morgenrot auf und davon. Unser Spieß als Protzenführer führte uns zurück bis Baltutiwo und dort rechts ab, wieder in einen Wald. Beim einem kurzen Halt unterwegs traf unser lieber Tünn einen Freund, der Fourier bei einer anderen Batterie war. Dieser überreichte Tünn schnell ein paar große Würste, die in unserer Bedienung mit großer Freude aufgenommen wurden.

Als warme Verpflegung bekamen wir von unserer Küche zweimal hintereinander riesige Schläge Salzkartoffeln und Goulasch. Es war das Essen, welches nach vorn gebracht werden sollte. Es bestand keine Möglichkeit, dieses Vorhaben auszuführen. Es stieg nun langsam die Frage in uns auf, was nun eigentlich mit unserer Gefechtsbatterie geschehen ist.

Es kam die Nachricht, daß unsere Batterie eingeschlossen ist. Da konnten wir also nicht hoffen, irgendjemanden einmal wieder zu sehen. Unsere 1. Batterie befand sich in Sicherheit, obwohl sie auch mit nach vorn sollte. Aber so war eben unser Alter, überall etwas schmußen, überall der Erste sein, (wir waren ja am 29. ½ Tag früher da, als die anderen Batterien, und so sind unsere direkt in den Rummel hineingefahren, während die anderen (glei) schweren Batterien wieder umgekehrt waren.

Wiedervereinigung

30. August 1943

Als wir am nächsten Morgen aufwachten, stand unser lieber Uffz. Beckurtz vor unserem Zelt. Bodenschatz wäre ihm vor Freude darüber bald um den Hals gefallen. Wußte er doch nun, wo sich unser Spieß mit den Troßfahrzeugen befand. Peter Beckurtz berichtete, daß sie bis zum Abend des gestrigen Tages in Iwanowo lagen und dann Stellungswechsel gemacht hatten. Wenige 100 m von unserem Zeltplatz entfernt hatten sie die Nacht verbracht, ohne zu wissen, daß wir ganz in ihrer Nähe sind.

Ich war nicht erbaut darüber, daß wir wieder zum Troß kamen. Wer weiß, wohin wir da mit fahren mußten. Ich wäre lieber noch einen Tag mit der B I alleine durchs Land kreuz und quer gefahren. Na, wir fuhren hin zum Troß und meldeten uns beim Hauptwachmeister. Er und das kleine Häuflein Menschen waren sicherlich erfreut darüber, daß die schon verloren geglaubte B I-Bedienung sich wieder eingefunden hatte.

An diesem Vormittage bezogen wir noch eine Protzenstellung in einem kleinen Wäldchen. Unsere Fahrzeuge wurden getarnt und wir machten es uns gemütlich in dem warmen Sonnenschein. Da nun unsere Küche wieder bei uns war, mußten wir auch mit Kartoffelschälen für 2 Battrien. Das Essen sollte nach vorn geschafft werden.

Allerdings wurden wir in unserer Ruhe viele Male durch feindliche Schlachtflieger gestört, die über uns hinweg brummten und weiter hinten eine Ortschaft angriffen, wo eine wichtige Brücke war. Auch russische Jäger tummelten sich über uns. Wir schossen einige Male mit dem Karabiner in die Luft. Weil aber der Lauf immer wieder gereinigt werden mußte und unser Spieß „die blödsinnige und nutzlose Knallerei“ verbot, stellten wir das Schießen ein. Gegen Abend fuhr SS in diesem Raume auf. Sie sollten die Lage wahrscheinlich wieder stabilisieren. Auch in unserer Nähe gingen Pakgeschütze von ihnen in Stellung. Wir sind da mal hingegangen und haben uns die Kanonen angesehen.

Zu erwähnen wäre noch, daß im Laufe dieses Tages auch die deutsche Luftwaffe mehrmals mit starken Kräften erschien. Mehrere [Heinkel] He 111 Verbände mit 60 Maschinen flogen in das Kampfgebiet und belegten die feindlichen Stellungen mit Bomben. Auch eine[n] Flugzeugtyp lernte ich kennen, den ich noch nicht gesehen hatte. Es waren die Schlachtflieger [Henschel] Hs 129. Infolge ihrer Unkenntnis hielten wir sie erst für feindliche Maschinen. Wir konnten gut sehen, wie diese Schlachtflieger in geringer Höhe über die feindlichen Linien flogen, ununterbrochen hin und her. Dabei spukten ihre Bordkanonen ganz mächtig. Ich gewann den Eindruck, als ob unsere Hs 129 gefährlicher für die Russen sind, weil sie ja eine zeitlang über den feindlichen Linien kreuzten. Im Gegensatz zu den [Iljuschin] IL 2, die angeflogen kommen, ihre Bomben schmeißen und wieder machen daß sie verschwinden.

Zurück zur Einheit

29. August 1943

An einer Staatsdomäne hielten wir wieder an, um uns etwas Orientierung zu verschaffen. Wir waren abgestiegen und amüsierten uns gegenseitig über unser Aussehen. Die Röcke und Hosen waren Millimeterdick mit Staub bedeckt. Aus dem schwarzgrauen Gesicht leuchteten die Zähne und das Weiße in den Augen. Und der Schweiß hinterließ lange Bahnen abfließender Schweißtropfen auf den Backen.

Da plötzlich kam ein einzelner PKw., und wer saß drin? Unser Kommandeur, Major Wendt. Wir staunten alle zusammen, hier ihn vorzufinden. Es herrschte doch die Annahme, daß er mit vorn wäre, bei seinen Gefechtsbatterien. Als ihn Bodenscha[tz] nach dem Orte unserer Protze gefragt hatte und Wendt wieder abgefahren war, diskutierten wir über ihn. Später stellte es sich dann heraus, daß er der Lage nicht gewachsen war, die Nerven verloren hatte und sich mit seinem Fahrer aus dem Staube gemacht hatte.

Wir fuhren anschließend auf der Straße Jelnja-Potschinok und suchten den Ort unserer Protze, Iwanowo. Ich wußte, daß dieser Ort ziemlich nahe bei Jelnja lag, sagte aber nichts, weil wir doch dann sofort dorthin und damit wieder ziemlich nahe an die Front kamen. In der Annahme, daß dieses Nest weiter hinten läge, fuhren wir auf dieser Straße zurück. Da erlebten wir auch den ersten Tieffliegerangriff in diesem Gebiete. Diese Flieger hatten aber andere Ziele und wendeten wieder, bevor sie herankamen. Nun, als wir ein Stück zurückgefahren waren und Iwanowo immer noch nicht kam, kam unser Meßtruppführer Bodenschatz zu der Überzeugung, daß wir hätten nach der entgegengesetzten Richtung fahren sollen. Also kehrten wir um und fuhren wieder nach vorn. Eine ganze Weile sind wir gefahren. Immer näher hörten wir den Lärm der zurückgehenden Front. Aber Iwanowo kam nicht. Weiter nach vorn zu fahren wollten wir nicht, da wir nicht wüßten, wie die Lage war. Auch glaubten wir nicht, daß unsere Protzenstellung so dicht hinter den Linien liegt. Da der Tag langsam zur Neige ging, entschlossen wir uns wieder zurückzufahren und in einem Dorfe zu nächtigen.

Auf dieser Fahrt stießen wir auf Protzenfahrzeuge und den Funkwagen unserer 5. Batterie. Bodenschatz nahm hier die Gelegenheit wahr, um durch Funk bei unserer Funkstelle ihren Standort zu erfragen. Nach einigen Minuten kam die Antwort, sie lautete prompt: Iwanowo. Das haben wir schon gewußt. Aber wo das Dorf lag, war uns jetzt auch noch ein Geheimnis. Also fuhren wir weiter, einen Übernachtungsplatz zu suchen. In der Reihe der entgegenkommenden Autos tauchte plötzlich unser Tankwagen, mit dem Tankanhänger für Trinkwasser, auf. Der suchte auch unseren Troß. Wir klärten ihn auf und er schloß sich uns an und wir wollten unsere Leute gemeinsam suchen.

Auf einmal kam in die vor uns fahrenden Fahrzeuge plötzlich Aufregung und Verwirrung. Die Fahrzeuge stopten plötzlich und die Insassen sprangen heraus und rannten wahllos in das Gelände. Wir hielten auch, sahen nach dem Grunde dieses Verhaltens und bemerkten in der Luft zwei Verbände [Petljakow] PE2, die schräg auf uns zukamen. Nun aber runter gesprungen und Deckung gesucht. Zufällig waren gerade neben uns Russenweiber dabei, einen Schützengraben auszuheben. In diesen Graben verschwanden wir und warteten nun ab, ob die Straße mit ihrem regem Verkehr das Ziel dieses Angriffs wurde. Aber der erste Verband drehte nach links ab und auch die Maschinen lagen darauf im Sonnenlichte blinkend in der Kurve. Etliche Minuten später zeigten uns in einigen km Entfernung hochgehende Rauchfontänen und kurz darauf folgender Donner das Gebiet an, wo die beiden Verbände ihre Bomben ausgelöst hatten.

Frohen Mutes stiegen wir wieder auf und fuhren weiter, dabei auf jedes Einheitsschild achtend, ob nicht das von unserer Batterie dabei war. Im nächsten Dorfe war bald ein geeigneter Rasenplatz gefunden. Bauten uns unser Zelt auf und legten uns hin, um uns von diesem erlebnisreichen, aber auch aufregenden Tag, dem 29. August, auszuruhen. Davor hatte ich noch das Schild mit dem gelben Wolfskopf, das Zeichen unserer Batterie, an einem Pfahl an der Straße befestigt.

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