Archiv für die Kategorie ‘Allgemeines’

Steigender Munitionsverbrauch

Sonntag, 11. Juli 1943

So floß das Leben ruhig und zufrieden dahin. Urlauber kamen und gingen. Sie brachten interessante Neuigkeiten aus der Heimat mit. Auch mein Freund Gerhard und ich rechneten schon mit Urlaub. Zur Hebung des geistigen Niveaus in der Batterie richtete die Batterieführung sogenannte Arbeitsgemeinschaften ein. Ich hatte die hohe Ehre, die Arbeitsgemeinschaft für Stenographie leiten zu dürfen. Unteroffiziere und Mannschaften wollten durch mich in die hohe Kunst des schnellen Schreibens eingeweiht werden. Wir kamen aber nicht dazu, weil da der Stellungswechsel dazwischen kam.

Im Ju[l]i entbrannte die gewaltige Schlacht bei Orel, wo die deutsche und die russische Offensive zusammenstießen. Die deutsche Luftwaffe flog von unserem Horst aus in diesen Kampfraum. Es waren meistens [Heinkel] He 111 oder [Junkers] Ju 88 Verbände von etwa 40 – 50 Maschinen. Ebenfalls flogen Jäger dorthin. Mir wurde es direkt unheimlich in dieser Zeit. Großeinsätze unsererseits und der Russe kam nur mal nachts, machte Blitzlichaufnahmen oder schmiß einige Bomben. Unsere Ansicht war, daß bald einmal ein Großangriff auf den Platz erfolgen würde und dazu klärt er jetzt nachts auf, weil er am Tage nur in großer Höhe hinweg fliegen kann. Nacht für Nacht war feindliche Flugtätigkeit. Wir konnten manchmal erst in die Barracke gehen als die Sonne den neuen Tag ankündigte. Es war auch manchmal ganz spannend und aufregend, wenn Bomben ganz in unserer Nähe einschlugen. In unserer Protze brannten Häuser ab und die Telefonleitung nach der Protze wurde mehrmals getroffen. Ein anderes Mal mußten wir die Kraftfahrer aus der Protze in die Batterie beordern. Wir brauchten die nachts zum Heranschleppen von Munition. Es war keine Seltenheit, wenn wir in einer Nacht 800, 1000, ja sogar 1200 Schuß in den Himmel jagten. Sichtbare Erfolge waren aber nicht zu bemerken. Am nächsten Morgen wurde ein Kfz losgeschickt und der holte neue Munition heran, so viel wir haben wollten. Bei uns war es nicht so wie beim Heer, wo man nur so und so viel Schuß bekam und nur so viel Schuß verschießen durfte, wie der Stab genehmigte, wenn man überhaupt schießen durfte.

Partisanenbanden

Sonntag, 4. Juli 1943

Für uns ganz unerwartet besuchte uns der Eichenlaubträger Generaloberst Ritter von Greim, Führer der Luftflotte 6. Einige Zeit später mußten wir die Stellung mit Nahverteidigungsständen umgeben. Weil diese Gegend mit Partisanen durchsetzt war. In etwa 40 km westlich von uns befand sich eine größere Bandengruppe. Dorthin flogen von unserem Flugplatz immer [Arado] Ar 66 und [Focke-Wulf] Fw 58, ganz alte und langsame Maschinen. Die reichten zu, um diese Bandennester in die Luft gehen zu lassen. Zur Abwechslung flogen auch mal 4 [Messerschmitt] Me 110 dorthin und „spielten“ mit diesen Dunkelmenschen. Auch in unserer näheren Umgebung war die Aktivität der Banden bemerkbar. Auf dem Rollfeld flogen mal einige [Heinkel] He 111 in die Luft. Daraufhin wurden bei allen Einheiten Belehrungen über eine Haftsprengladung, die man gefunden hatte, durchgeführt. Ein LKW unserer 2. Batterie fuhr auf eine Miene. Ergebnis: 2 Tote. Eines Nachts konnte ich beobachten, wie die Eisenbahnlinie Roslawl-Briansk an sehr vielen Stellen in die Luft flog.

Ruhiges Pfingstfest

Freitag, 2. Juli 1943

Es kam uns wie ein Geschenk des Himmels vor, daß die Tage und Nächte vor und nach Pfingsten völlige Ruhe in der Luft war. So konnten wir uns einmal recht erholen und der Magen kam dabei auch nicht schlecht weg. Zur abendlichen Ausgelassenheit waren die reichlichen Marketenderwaren bestimmt. Sie erfüllten ihren Zweck in der richtigen Weise. Ende Juni/Anfang Juli nahm die feindliche Lufttätigkeit stark ab. Aber immer noch flogen unsere [Heinkel] He 111 und [Junkers] Ju 88. Großeinsätze in den Raum von Orel. Das ging ununterbrochen. Ein fantastischer Anblick war jedes Mal, wenn ein Verband Ju 88 zurückkam und die Maschinen nacheinander im Sturzflug auf Tiefe gingen. In diesen Bewegungen erkannte ich, daß schon ein im Sturzflug niedergehendes Flugzeug eine herbe moralische Erschütterung des Gegners haben muß. Das Wetter war schön. Einfach herrlich. Eines Tages da kam einmal ein schweres Gewitter und da bekam einer beim Telefonieren einen elektrischen Schlag, von einem Blitze herrührend. Seitdem wurde der Hörer nur noch mit Widerwillen bei Gewittern angegriffen. In den letzten Junitagen erfolgte meine Aufnahme in die B I. Seitdem nahm ich teil an Freud und Leid dieser Gemeinschaft. Nach und nach habe ich dort großes Selbstvertrauen und Verantwortungsgefühl erworben, was mir für mein späteres Leben von großem Nutzen war.

Neuer Alltag

Montag, 28. Juni 1943

Ende Juni sagte mir Ufw. Theißen, daß ich nun in seine Bedienung komme. Ich war nun froh, endlich in eine Gefechtsbedienung aufgenommen zu werden und einen festen Bedienungsplatz zu bekommen. Diesen Posten habe ich bis zur Auflösung der Batterie innegehabt. Und ich wußte darin genau Bescheid, in dieser „ballistischen“ Angelegenheit.

Bis ich in die B I eingereiht wurde war ich in der B II immer noch unter der Fuchtel vom langen Beckurts. Der Dienstplan sah vormittags und nachmittags je 2 Stunden Dienst vor, Unterricht oder andere Ausbildung. Und dieser Dienst fiel auch dann noch aus, wenn wir nachts mal längere Zeit Alarm hatten. So ließen wir uns das Leben gefallen. Früh konnten wir bis kurz vor 9h schlafen, frühstückten bei flotter Radiomusik, machten dann bis 11h Dienst, da brauchten wir nur jemandem zuzuhören, was der uns erzählte. Nach dem kräftigen Mittagessen hörten wir Musik, oder wer müde war, legte sich bis 14h auf die faule Haut. Dann wieder 2 Stunden ruhiger Dienst. Anschließend folgte der Feierabend. Der Verpflegungswagen kam und brachte die kalte Verpflegung. Wir aßen noch einmal richtig und vertrieben uns die Zeit wie wir wollten. Kein lautes Wort fiel, alles ging so ruhig und selbstverständlich vor sich, daß ich darüber ganz überrascht war. Ich war nur das laute Treiben, das Streiten und Krakeelen in der B II Baracke gewohnt, so daß mir die Ruhe in der B I direkt feierlich vorkam. Ich gab nun meinen Teil dazu und versuchte dieses kameradschaftliche Leben nicht zu stören. Als „Neuling“ war ich auch erst schüchtern und zurückhaltend. Aber von Tag zu Tag fand ich mich mehr zu den anderen hin und ich fühlte sie sahen in mir einen Kameraden, als wenn ich schon jahrelang zu ihnen gehörte. Wenn ich heute die Zeit in der B I überblicke, so muß ich dankbar sein, solche Kameraden bekommen zu haben. Bekam einer ein Paket, so kam es auf den Tisch und wir konnten uns nehmen was wir wollten. Gab es Marmelade oder Kunsthonig für uns, so wurden die Behälter auf den Tisch gestellt und es regte sich niemand auf, ob ich nun 3 oder 4 Schnitten mehr davon aß. So könnte ich noch eine ganze Reihe solcher Beispiele bringen. Sie alle [zeigen] welcher Geist in dieser Bedienung herrschte. Was uns Mannschaften noch außer dem Dienst Beschäftigung gab, war der Richtposten und die Feuerbereitschaften. Das ging schon früh ½ 3h los und ging bis abends 10h. Aber abends besuchten uns immer Flieger vom Fliegerhorst und wollten von uns in die Geheimnisse des Flakschießens eingeweiht werden. Andere wieder erzählten uns interessante Sachen von ihren Flügen gegen den Feind.

Ungewöhnlicher Chef

Mittwoch, 23. Juni 1943

Der Chef, der inzwischen zum Hauptmann gemachte Siebeck, war nicht da, er mußte den Abtlg. Kdr. vertreten. Oblt. Heudel kam auch bald fort. Bei seinem Abschied beteuerte dieser Kerl, er wäre doch zu gerne bei „seiner“ Batterie geblieben. Aber „so Gott will“ müßte er nun fort. (Froh war er doch, daß er aus dem gefährlichen Gebiert fortkonnte.) So vertrat den Chef Oblt. Schönberg, ein Chemnitzer. Das war ein prachtvoller, junger Kerl. Der machte allerhand Dummheiten mit. Er brachte einen ganz anderen Geist in uns hinein. Ich weiß gerade noch, wie er nach einem Fußballspiel vollkommen nackt in unseren Brunnen stieg und dann als Offizier im Adamskostüm durch die Batterie spazierte. Er nahm eben alles auf die leichte und lustige Seite. Lt. Kruchen machte das Treiben auch mit. Er konnte ja auch nicht anders. Das jugendliche Verhalten Schönbergs war es auch, was ihn später mit Reineking so verfe[]nde. Nach seiner Meinung wäre „Schönberg kein Offizier“. Selbst Spieß Hampe mußte betrübt zusehen, als Schönberg sämtliche vorgesehene Apelle vom Dienstplan strich. Das war Hampes Spezialität, Apelle durchzuführen. Man konnte dabei mal auffallen, machte vielleicht mal Nachapell mit, aber sonst hatte es weiter nichts auf sich. Meine Sache war immer am Tage des Karabiner-Apells mich im Kino zu amüsieren.

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