Dienst nach Plan
Mittwoch, 15. September 1943
In der Schreibstube war nichts mehr zu tun, so blieb ich in der Stellung und machte den Dienst mit. Jawohl, wir hatten unseren Dienstplan und waren von der Front nicht allzuweit entfernt. In diesem Gebiet, wo jeden Augenblick ein Treffer einhauen kann und die Einsatzbereitschaft der Männer immer gewährleistet sein muß, da wurde Infanterie-Dienst und Unterricht abgehalten, anstatt der Truppe etwas Ruhe zugönnen, konnten doch in der nächsten Stunde schon die schwersten und aufregendsten Kämpfe stattfinden.
Ich weiß noch genau, unser Oberfähnrich Mathé lag vor uns auf dem Bauch und zeigte und erklärte uns, wie man sich vorschriftsmäßig am MG benimmt. Mir kam diese ganze Angelegenheit etwas lächerlich vor. Man hätte den Oberfhr. fragen sollen, ob man sich im Kampfe erst besinnen kann, wie man es richtig macht, oder ob man es so macht wie die Lage es erfordert. Aber die ganze Dienstgeschichte war scheinbar die, unsere Herren Offizieren konnten es nicht sehen, wenn wir einmal etwas Ruhe hatten und so kamen sie eben auf die komischsten und blödsten Einfälle.
Doch plötzlich, eines Tages änderten die Russen den Dienstplan um. Es war in der Zeit vom 13. – 15. September. Wieder ein sonnenklarer Tag. An diesem Tag kamen wir buchstäblich nicht zur Ruhe. Die feindlichen Verbände kamen ohne Unterbrechung angeflogen. Kampf- und Schlachtflieger. Insgesamt wurden 475 Feindeinflüge gezählt. Jeder neue Angriff war aufregender als der vorhergehende, besonders als Schlachtflieger zum Angriff auf uns ansetzten. Diesmal zogen sich die hellen Fäden der Leuchtspurgeschosse ganz dicht über unsere Köpfe. Eine Maschine wurde aber unser Opfer und der Pilot nach Buda Staraja gebracht. Als dann später Schlachtflieger B. St. angriffen, wurde dieser Pilot von den eigenen Maschinen noch schwer verletzt.
Ein scharfer Kampffliegerangriff, dessen Bomben wohl unserer Batterie galten, aber nur knapp daneben gingen, brachte auch die B I wieder in die Löcher. Einen anderen Kampffliegerangriff bekämpften wir schon auf weite Entfernung und schon die ersten Sprengpunkte zerrissen einer [Petljakow] PE-2 den Schwanz und wie eine riesige Luftschraube, immer um sich selbst drehend, taumelte diese Maschine zum Boden und endete in einer Explosion.
In diesen Augenblicken war es mit Reinekings Ruhe vorbei. Da brach bei ihm sein Temperament durch. Er sprang da umher wie ein wilder. Erst jagte er zum Flugmeldeposten und verdrängte ihn vom Glas, dann rannte er in kühner Kurve herein in den Stand und riß Uffz. Bodenschatz das Kehlkopfmikrophon aufregt vom Halse und sprach zu den Geschützen als er das Mikrophon noch in der Hand hatte. Schon im nächsten Moment schmiß er den Höhrer wieder hin und schwang sich in schwungvollen Sprunge gleich über unseren Schützwall und eilte zu Lt. Kruchen und nahm ihm dessen Glas von den Augen und guckte selbst in die Luft. Und dabei tobte er, schrie und fieberte so mit und war von den Ereignissen in der Luft so begeistert und über unser Schießen so erfreut, daß er alles um sich herum vergaß. Seine Begeisterung sprang wie ein Funke auch auf uns über. Und als er endlich rief: „Drauf, drauf! schießen! Schneller schießen!“ da war es für uns Ansporn und Lob zugleich. Zeigte es doch, daß wir gut gearbeitet hatten. Aber nach dem Angriff, wurde unser Chef wieder sachlich und gab ruhig Anweisungen für den nächsten Angriff. Und wir nahmen den Stahlhelm ab, wischten den Angstschweiß von der Stirn und rauchten erst einmal einige Beruhigungszigaretten.
Mittlerweile flogen russische Jäger ein und surrten umher. Da waren keine deutschen Jäger da. Kamen unsere Jäger, so waren die Russen nicht zu sehen. Trafen sie sich doch einmal, so spielten sie Katz und Maus, immer rein in die Wolke, raus aus die Wolke, rinn in die Wolke usw. An die Geschwindigkeit der deutschen Jäger kamen die Russen gar nicht heran, sie konnten aber engere Kurven fliegen. Wir standen während solcher Momente immer bereit, durch einige Schüsse evtl. die deutschen Jäger zu unterstützen.