Schlammige Umverteilung
Donnerstag, 16. September 1943
Nachdem alle Fahrzeuge fertig waren, fuhren wir los. Es ging gleich einen schmalen Feldweg nach Westen entlang. Der Schlamm machte uns da schon etwas zu schaffen. Nach einer Weile mußten wir über einen Bach und da war keine Brücke. Nur einige Balken lagen im Wasser. Aber mit etwas Geschicklichkeit und etwas Glück kam man schon darüber hinweg. Es rutschte schon mal ein Fahrzeug bedenklich ab, so wurde es von einem größeren Fahrzeug wieder auf die rechte Bahn gezogen. Die Hälfte unserer Kolonne war schon glücklich darüber hinweg, als ein Offizier vom Heere kam und uns dahin unterrichtete, daß er Befehl hätte, den Verkehr über diese Brücke zu sperren und die Brücke ordentlich ausbauen zu lassen und er müßte uns zu diesem Zwecke mit heranziehen. Da haben wir natürlich gemuckt. Um die Brücke etwas stabiler zu machen, haben wir mitgeholfen ein Haus abzubrechen und die Balken zum Bauen verwandt. Nach einer Weile haben wir gesagt, es gänge nun nicht anders und so haben wir uns über diesen komischen Leutnant hinweg gesetzt.
Die Fahrzeuge mußten aber einzeln über dieses Balkengewirr hinübergezogen werden. Auf der anderen Seite war anschließend eine steile Böschung, und die war nur mit Schlamm bedeckt. Dort blieben die Fahrzeuge eben stecken oder rutschten zurück. Unser Fahrer aber, unser verwegener Schmitz, gab Vollgas, rammelte über diese provisorische Brücke daß die Balken ächzten und einige sogar brachen und unter unserem freudigen Jubel schaffte er es auch noch diese rutschige Böschung hinauf. Glücklich hatten wir sämtliche Fahrzeuge von uns herüber gebracht. Aber nun kam erst der wunde Punkt: wir mußten über einen Berg hinweg, wo Schlamm, Dreck, Schmand und ausgefahrene Fahrspuren das Fahren fast unmöglich machten. Versuchte man hinauf zu fahren, so rutschte man das Doppelte zurück. Alles Mögliche wurde versucht, die Autos flott zu machen. Aber der Schlamm war zäher. Unser Küchenwagen machte überhaupt nicht mit, schließlich war der Motor defekt und da war es ganz aus. Nach und nach kam es soweit, daß 3 und mehr Fahrzeuge zusammengeseilt wurden. Das schaffte Luft. So nach und nach rutschte ein Fahrzeug nach dem anderen über die Kuppe.
Diese Klippe wurde überwunden und es ging weiter dem Ort Jasnieno zu, wo uns unser Chef hinbeordert hatte. Eine große Pfütze wurde uns hier beinahe zum Verhängnis. Schmitz wollte nicht durch das Wasser hindurch fahren und fuhr außerhalb und… blieb stecken. Wir schoben aus Leibeskräften. Wir legten Reissig unter die Räder. Es half nichts. Im Gegenteil, die Räder mahlten sich immer tiefer und schließlicht saßen die Federn des LKw’s auf dem Schlamme auf. Hilflos saßen wir nun in dunkler Nacht hier fest. Nicht allzuweit entfernt zeigten hochgehende Leuchtkugeln die zurückgehende Front an. Wir machten uns schon mit dem schlimmsten gefaßt. Da kam plötzlich ein großer, schwarzer Schatten aus dem Dunkel der Nacht auf. Es war ein LKw. Mit lautem Rufen brachten wir ihn zum Halten. Es war ein Fahrzeug unserer Batterie. Der mußte uns herausziehen. Sofort wurde ein Seil gespannt und der LKw zog an. Alles sah voll Spannung zu. Aber oweh, es war nichts zu wollen. Dieser LKw rutschte nun ebenfalls und kam nicht vom Fleck. Wieder wurden allerlei Experimente gemacht. Es war aber einfach nichts zu machen. Endlich nahte der Retter in Gestalt einer Zugmaschine von uns. Ich glaube, sie hatte ein Geschütz mit und fuhr zur Waffenwerkstatt. Für diese Zugmaschine war es natürlich ein Leichtes, uns aus dem Dreck zuziehen. Erleichterten Herzens bestiegen wir wieder unseren Wagen und Schmitz konnte wieder fahren.
Auf der Straße nach Jasnieno war wieder der schönste Rückzugsbetrieb. Einige Hundert Meter konnten wir wohl fahren. Dann stockte es zum Ersten Male. Einige Fahrzeuge von uns hatten Schwierigkeiten aus dem Schlamm herauszukommen. Als es weiterging, saßen wir fest. Also runter vom Wagen und in den Schlamm herein gesprungen und geschoben. Dieser zähe Dreck zog uns fast die Stiefel aus und den unteren Teil unserer Übermantel zogen wir egal durch den Schlamm. Aber wir kriegten den Karren wieder flott.
Nach kurzer Fahrt wieder ein Halt. Ein Pferdegeschirr vor uns steckte hilflos fest. Der Kutscher gab sich zwar alle Mühe, aber sie schafften es nicht. So gab Bodenschatz den Befehl, schieben zu helfen und während wir so schoben, kamen einige auf den Gedanken, doch mal sehen, was in den vielen Kisten drin ist, die der Bagagewagen geladen hatte. Mit Gewalt wurden die Kisten aufgebrochen und siehe, was kam zum Vorschein: lauter Flaschen vom feinsten Rum. Leider hatten wir zu stark geschoben, sodaß der Wagen wieder selbst fahren konnte und wir mußten von unserem Opfer lassen. Als wir wieder aufgestiegen waren, ging gleich die Sauferei los und wir hofften, dass dieser Wagen noch einmal stecken bliebe. Das traf auch prombt ein. Sofort ging es wieder hin an den Wagen. Einige nahmen sich der Pferde an, und einige brüllten kräftig „Hau-ruck“ und taten so, als ob sie angestrengt schieben. Der Kutscher hatte an unserer Hilfe seine reinste Freude. Aber an der Rückwand des Wagens wurde schnell gearbeitet. Mit Hilfe von Spaten wurden Kisten aufgebrochen und die Flaschen mit Wein und Rum verschwanden unter unseren Mänteln. Ich selbst stieg an der Seite auf den Wagen, zog eine schwere Kiste herunter, und stampfte damit glücklich und siegesbewußt zu unserem Wagen. Im Scheine einer Taschenlampe stellte ich erst mal fest, was ich eigentlich ergattert hab. Es war eine Kiste mit 24 Büchsen zu 800 gr Jagdwurst. Schnell wurde die Kiste verstaut, aufgestiegen und weiter ging die Fahrt.
Nun ging oben auf dem Wagen eine Flasche nach der anderen reihum. Die Nähe der Front, der Rückzug und der Schlamm waren mit einem Male vergessen. Unser Fahrer Schmitz goß auch kräftig hinter die Binde und er mußte erst an seine Pflichten und Verantwortung erinnert werden. Aber er war schon leicht angeheitert und vollbrachte allerhand tolle Sachen. Erst zog er eine Zugmaschine hinter sich her und fuhr dann eine Böschung hinab, daß wir dachten, der Wagen kippte jeden Augenblick um. Aber es ging alles gut und bald erreichten wir einen kleinen Seitenweg, an dem unsere Protze lag.
Unser Kamerad Rückheim, der an der Straße zurückgelassen wurde, um nachfolgenden Wagen von uns den Weg zu weisen, ist im Straßengraben eingeschlafen und hat dort unbehelligt seinen Rausch ausgeschlafen. Mitten in der Nacht kamen wir an unsere Protzenstellung und nur mit Mühe bugsierte Schmitz den Wagen zwischen den Bäumen hindurch an einen geeigneten Standort. Dann war Gottseidank für diesen Tag Schluß. Wir blieben auf dem Wagen sitzen und versuchten zu schlafen. Zum Glück wurde es bald wieder helle. Da saß doch ein Mann mit auf unserem Wagen und wir zerbrochen uns den Kopf, wer das wohl sein könnte und was der bei uns suchte. Doch als diese Gestalt ihr verschlafenes Gesicht hob und die Haarsträhnen aus der Stirne schleuderte, erkannten wir unseren Fahrer Schmitz. Aber wie sah der aus. Er hatte sich von oben bis unten bekotzt. Uns blieb jedoch ein Rätsel, wie er auf unseren Wagen hinauf kam. Neben dem Wagen war ein Lagerfeuer entfacht worden und fröstelnd saßen wir müden Kreaturen herum und stierten in die Flamme. Unser Spieß hatte bald gemerkt, was mit uns los war. Sah er doch auch heute am frühen Morgen die Flasche unter uns kreisen. Verraten haben wir zwar nicht, wo wir das Zeug her haben. Aber wir haben ihn einmal mit trinken lassen. Damit gab er sich zufrieden. Von der Kiste Wurst hat jeder eine Büchse bekommen. Den Rest haben wir gleich zum Brot gegessen. Es kamen zwar manchmal Gedanken bei uns auf, daß nun wohl dieser Soldat bestraft werden würde, dem wir das Zeug genommen haben. Er kann doch gar nicht dafür. Und vielleicht hat nun eine Einheit einen Tag lang nichts zu essen. Aber wir pfiffen darauf. Die Spirituosen hätten doch nur die Offiziere gesoffen und der Landser hätte geschielt. Außerdem wurden wir auch schon bestohlen. Es war eben so: mausen und bescheißen ist die Grundlage für ein gutes Leben beim Kommiß.