Unheimliche Nähe
Mittwoch, 15. September 1943
Auch unsere Flieger waren an diesem Tage sehr aktiv und griffen mit starken Bomberverbänden in die Erdkämpfe ein. In dieser Stellung wurden von uns ebenfalls 4 oder 5 Maschinen abgeschossen. Bei dieser Gelegenheit konnten wir auch mal das Schießen der feindlichen Flak beobachten. Die schoß, im Gegenteil zu uns kein gezieltes Feuer auf die Flugzeuge, sondern es war mehr ein Sperrfeuer in der Luft. Überall standen die Sprengwolken in der Luft. Wir haben aber keinen Abschuß der russischen Flak feststellen können. Deutsche Jäger hatten an diesem Tage einige Abschüsse zu verzeichnen.
Abends waren wir froh, daß dieser harte und aufregende Tag nun glücklich und ohne Ausfälle zu Ende gegangen war. Wir wollten der Ruhe huldigen und da kamen die „leisen Willy’s“ und einzelne Bomber, die ins Hinterland flogen. Reineking mußte natürlich schießen und so standen wir eben einige Stunden in der ziemlich kühlen Nacht und haben die Maschinen so gut es ging im Dunkeln aufgefaßt und geschoßen.
Der weitere Verlauf der Nacht kam uns schon ziemlich unheimlich vor. Derjenige, der schlief, hat davon nichts gemerkt, aber wer Posten stand, konnte das immer näherkommende Maschinengewehrfeuer und die immer häufiger werdenden eigentümlichen Knalle von Panzerkanonen [hören]. Am nächsten Morgen, der 14., platschte strömender Regen auf unsere Zelte. Wir dachten in dem Regen wird Iwan nicht kommen. Aber weit gefehlt, schon vernahmen wir das Dröhnen anfliegender Tiefflieger und der Flugmeldeposten arlamierte schnell die Batterie. Man hielt es nicht für möglich, in diesem dunstigen Wetter anzufliegen. Aber diese Tiefflieger schoßen etwas in die Gegend und verschwanden gleich wieder. Kurz darauf hörten wir einen Verband [Petljakow] PE-2 kommen, konnten ihn aber nicht sehen, da die Wolken zu tief herniederhingen. Nur für einen Auganblick erschienen die Maschinen zwischen Wolkenfetzen. Sie warfen Bomben auf Lechowo und verschwanden wieder in den schützenden Wolken. Wir schossen einige Schüsse hinterher und dann war Ruhe.
Dies war unser letztes Gefecht hier, denn unser Chef brüllte gerade herauf zu uns: „Stellungswechsel vorbereiten!“ Der Regen hatte aufgehört und wir fingen an die Zelte abzureißen und alles Gerät zusammen zu legen. Da brachten Lt. Kruchen einen entgegengesetzten Befehl: „Stellung bleibt besetzt!“ Das war nun wieder mies. Immer das verdächtige Schießen in nicht allzuweiter Entfernung, das hat etwas schlimmes uns ahnen lassen.
Uffz. Busse, der über die ganze Situation ziemlich gut Bescheid wußte, schien die Angelegenheit auch recht verdächtig vorzukommen. So kam er hin zu mir auf den Flugmeldeposten und sagte, ich solle ihm über alles Verdächtige Bescheid sagen. Und so habe ich mit meinem Glase gespannt in die Gegend geguckt. Da sah ich in Schützenlinie vorgehende Infanterie und konnte auf der anderen Seite im Dunst gerade noch erkennen, wie auf einer Straße eine unendliche Kolonne allermöglicher Fahrzeuge zurückfuhr. Da stand es wieder mal fest: es ging wieder mal zurück. Wir kamen uns wieder vor wie doof. Alles fuhr zurück, nur wir standen da wie ein paar Irre. Aber in kluger Voraussicht packten wir unsere Sachen zusammen. Da klingelte bei uns das Telefon. Unser Chef ging selbst an den Hörer. Kurze Stille, dann rief er zur Geschützstaffel: „Geschützstaffel fertigmachen zum Erdeinsatz!“ Nun war wieder alles klar.
Nun lief alles flott von der Hand, denn, desto früher wir fertig waren, desto zeitiger konnten wir abfahren. Unser Lastwagen konnte gar nicht schnell genug da sein. Der Wagen der B II mußte auch mit von beladen werden. Unsere Geschütze fuhren schon aus der Stellung und bezogen Stellung zum Beschuß von Buda Staraja. Endlich hatten wir einen Wagen beladen und ich schwang mich drauf und fuhr mit. Unterwegs war schon alles wieder in bestem Rückzugsfieber. Zuerst fuhren wir in unsere Protzenstellung. Dort haben wir gewartet, bis unserer zweiter Meßtruppwagen nachkam. Wie uns da erzählt wurde, hat unsere Stellung, nachdem ich abgefahren war, noch einige Artillerie-Treffer erhalten.