Kostbares Nass
17. September 1943
Eine alltägliche Arbeit blieb nicht aus: Das Kartoffelschälen. Vor 2 Tagen hatten wir auch so viel Kartoffeln geschält und Fellner hatte eine schmackhafte Erbsensuppe gekocht, und das Essen wurde zum Russen geschafft. Unser Fourier fuhr mit einem Wagen der 5. Batterie beim Versorgen der Batterie mit Verpflegung in die feindlichen Linien. Einige 2 cm Kanonen unserer 2. Batterie versuchten mit etlichen Schüssen vor den Wagen diesen zum Halten [zu] veranlassen wollten. Dieses Kanoniere sahen nur noch wie die Russen den Wagen umringten und wie die zwei Insassen mit erhobenen Händen ausstiegen.
Nach dem Kartoffelschälen mußte unser Meßtruppwagen mit dem Trinkwassertankwagen los fahren und Wasser herbeischaffen. Ich fuhr auch mit. Zuerst fuhren wir weiter zurück. Weit und breit kein Bach, kein Teich, nur weite, öde Steppenflächen zogen sich hin. Nach mehreren Kilometern Fahrt suchten wir Wasser in einem Dorfe, seitwärts der Straße. Erst kam ein stehendes Gewässer. Das Wasser sah schwarz aus und stank fürchterlich. Schon der Anblick des Gewässers ekelte uns an. So fuhren wir in das Dorf. Hier fehlten die üblichen Brunnen ganz. Wir frugen die Bevölkerung wo es Wasser gibt. Sie zeigten uns einen kleinen Teich in dem allerhand Wassergetier herumzappelte. Auch von diesem stinkenden Wasser wanden wir uns sehr schnell ab. Das Wasser konnten vielleicht die Russen trinken. Anderes waren die ja auch nicht gewöhnt. Also fuhren wir wieder zurück. Wir fuhren noch über unsere Protze hinaus weiter nach vorn. Wir kamen wieder an den großen Teich, wo die große Holzbrücke mittendurch führte. Plötzlich heulte es heran und 2 Granaten sausten in das Wasser, das hoch aufspritzte. Wir lenkten sofort um, fuhren an den Rand des Wassers und schöpften mit einigen Eimern dieses Wasser in unseren Tankwagen. Obwohl es auch nicht ganz sauber war, so nahmen wir es doch, um überhaupt welches mitzubringen.
Unser Spieß hat sich sehr gewundert, wo wir so lange blieben. Aber wir erzählten ihm alles haargenau. Spät Nachmittags hieß es wieder mal schnell alles aufladen und fertigmachen. Schon wieder Stellungswechsel! Diesmal schien es aber eilig zu sein. Es ging auf dieser Straße zurück, die bei uns vorüberführte. Die Straße führte immer bergab, über einen ausgetrockneten Bach hinweg und drüben wieder erschreckend steil hoch. Wieder fuhr Fahrzeug hinter Fahrzeug. Bei einem kurzen Halten nahmen wir 3 verwundete Infanteristen mit, die an der Straße standen und warteten, bis ein Wagen sie mit zurücknimmt. Diese 3 Soldaten erzählten uns, wie es vorn eigentlich zu ging. Sie sprachen schon von Auflösungserscheinungen und meinten außerdem, daß mit den Offizieren wahrscheinlich etwas nicht stimmt. Da mußten die russischen Zivilisten immer Panzergräben und sogenannte Hauptkampflinien ausheben. Dann hieß es fast jeden Tag, im Laufe der Nacht wird die Front auf den und den Graben zurückgenommen, und am anderen Morgen merkten wir, daß es alles nur ein Bluff war und die betreffende Linie schon längst vom Feinde überschritten war.
Als die Dunkelheit sich über das eintönige Land zog, wies uns unser Spieß eine neue Protzenstellung an. Die etwas aufsteigende Wiese war schon feucht beschlagen und es dauerte eine geraume Zeit, bis wir in dieser Finsternis unsere Zeltplanen hervorgesucht hatten. Rings um uns, von Nordosten, über Ost und Süd bis weit nach Westsüdwest herum zog sich am Horizont ein Kranz brennender Dörfer. Blutrot war das Firmament überzogen. Unsere zurückgehenden Truppen wendeten hier wahrscheinlich die Taktik an, die uns der Russe erst im Jahre 41 gelernt hat, nämlich alles niederzubrennen, damit der nachrückende Feind keine Unterkünfte und Vorräte, sondern nur noch Schutt vorfindet, mit dem er nichts anfangen kann. Beim Betrachten dieses eigentümlichen Bildes, erreichte uns schon wieder der Ruf: „Sofort wieder alles einzupacken. Es geht sofort weiter!“